Formpressen: Technologieübersicht

Dieser Artikel fasst all jene Dinge zusammen, die Sie über das Verfahren des Formpressens wissen müssen: wie es als Fertigungsverfahren funktioniert, welche Materialien geeignet sind, was die Vorteile, wo die Anwendungsgebiete und wo die Grenzen liegen.

Das Formpressen ist ein Fertigungsverfahren, das zur Herstellung der verschiedensten Produkte und Teile verwendet werden kann, die hauptsächlich auf Basis von duroplastischen Materialien wie Verbundwerkstoffen, Gummis oder Harzen hergestellt werden. Es bietet dabei eine Vielzahl an Optionen für die Herstellung funktionaler Prototypen oder von Kleinserien.

Was ist Formpressen?

Formpressen ist in vielen Branchen zu einer unverzichtbaren Technologie geworden, und es trägt zur Entwicklung vieler moderner Produkte bei, die wir tagtäglich nutzen. Das Verfahren beinhaltet die Komprimierung eines Rohmaterials in einem beheizten Formwerkzeug, bis das Rohmaterial, in der Regel unter Hitzeeinwirkung und Druck, dauerhaft die gewünschte Form einnimmt. Die entstehenden Formteile sind langlebig, wirtschaftlich und für viele Anwendungen geeignet.

Wie funktioniert das Formpressen?

Das Formpressen verwendet Hitze und Druck, um einem Produkt seine endgültige Form zu verleihen.  Es wird dabei eine genau abgemessene Menge an vorgewärmtem zu formendem Rohmaterial, die „Charge“ oder „Ladung“, durch zwei beheizte Formen in die gewünschte Form komprimiert. Diese Formen haben in der Regel einen vorgeheizten Hohlraum und einen vertikalen Pressmechanismus, um die erforderliche Funktion des Werkzeugs zu erzeugen und aufrechtzuerhalten. 

Das überschüssige Material tritt als Grat aus der Form aus (der überschüssige Kunststoff wird in der Regel an der Trennlinie der Formen aus dem Hohlraum zwischen den Formen herausgepresst).

Scheme of a moulding machine and its mains components
Schema einer Formpressmaschine und ihrer Hauptbestandteile (Source: Wikipedia)

Der Formungsprozess läuft folgendermaßen ab:

  • Schritt 1 – Formen erstellen: Die Formen werden durch maschinelle Bearbeitung, Druckguss oder 3D-Druck hergestellt.
  • Schritt 2 – Maschinen einrichten: Die Formen werden gereinigt, die Heizung aktiviert, und es werden andere notwendige Prozessschritte für die Einrichtung durchgeführt. Diese hängen von der Art der verwendeten Maschine und anderer Geräte ab. 
  • Schritt 3 – Ladung vorbereiten: Die geeignete Materialmenge wird jeweils für das ausgewählte Material bestimmt. Dabei soll vermieden werden, dass zu viel Ladung verwendet wird, die ansonsten aus der Form austritt und einen Grat erzeugt, der händisch entfernt werden muss.
  • Schritt 4 – Ladung einlegen: Die Ladung wird mittig in der Bodenform platziert.
  • Schritt 5 – Teil pressen: Es wird die obere Form geschlossen, und Druck ausgeübt. Das Teil erhält Zeit, um sich auszuformen. Einige Hersteller verwenden während des Pressvorgangs Hitze, die den Herstellungsprozess durch das Erweichen des Rohmaterials beschleunigt.
  • Schritt 6 – Teil entfernen: Das Fertige Werkstück wird aus der Form entfernt.
  • Schritt 7 – Teil bereinigen: Grate und unsaubere Kanten werden händisch entferntt, und das Teil wird ggf. vor der Endmontage noch einmal gereinigt.

Arten des Formpressens

Es gibt verschiedene Verfahren des Formpressens, und jede Fertigungsmethode unterscheidet sich im Hinblick auf ihr Anwendungsgebiet und die verwendeten Materialien.

Industrielles hydraulisches Formpressen

Große industrielle Formpressmaschinen eignen sich besonders gut für die kommerzielle Serienfertigung in Großserien. Es werden hydraulische Hebevorrichtungen eingesetzt, die es erlauben große Drücke auszuüben, und somit große und einheitliche Teile zu produzieren. Die Mitarbeiter haben dabei die volle Kontrolle über den Prozess und überwachen den Vorgang von einem separaten Bedienfeld aus.

Tischpressen

Kleinere, sogenannte Tischpressen, eignen sich besonders gut für die Herstellung kleiner und mittelgroßer Teile. Sie brauchen im Vergleich zu den industriellen Anlagen deutlich weniger Platz, eignen sich jedoch dennoch besser für größere Aufträge. Da sie von allen Seiten des Tisches zugänglich sind, bieten sie den Technikern und Bedienern viel Flexibilität, wenn es um das Entfernen der fertigen Teile und der erzeugten Grate geht. Durch die geringere notwendige Stellfläche sind diese Maschinen somit ideal für kleinere Produktionsstätten oder Lagerhäuser geeignet.

Kalte (wärmefreie) Formpressverfahren

Das Formpressen wird in der Regel unter Hitzeeinwirkung betrieben, es gibt aber andererseits auch „kalte“ bzw. wärmefreie Verfahren, in denen die Ladung bzw. das Rohmaterial einfach nur vorgewärmt in die Form eingebracht wird. Bei manchen weicheren Kunststoffen ist sogar dieses vorherige Erwärmen nicht notwendig. Die Techniker und Anlagenfahrer können somit den Aushärtungsprozess kontrollieren und sogar verkürzen, indem sie die Wärme im genau richtigen Moment in das Material einbringen.

Nasspressen

Das Nasspressverfahren wird dazu verwendet, Epoxidharze sowie andere Harze und Flüssigkeiten mit festen Geweben zu verbinden. Nasspressanlagen findet man häufig in den Produktionslinien von Firmen wie BMW, wo sie dazu eingesetzt werden, stabile und langlebige in kurzer Zeit und zu geringen Kosten herzustellen.

Geeignete Materialien für das Formpressen

Kunststoffe wie Thermoplaste oder Duroplaste sind mit dem Formpressverfahren kompatibel. Dabei sind Thermoplaste Kunststoffe, die beim Erhitzen weich und flexibel werden, und beim Auskühlen aushärten. Sie zeigen dabei auch nach dem Aushärten keine Veränderung in ihren grundlegenden chemischen oder mechanischen Eigenschaften und können somit mehrfach erhitzt und abgekühlt (und dabei umgeformt) werden.

Duroplaste sind in dieser Hinsich anders. Sie härten bei Hitzeeinwirkung unumkehrbar aus, wobei sich ihre inhärenten Eigenschaften verändern und sie nach dem Aushärten in ihrer Form verbleiben. Sie können deshalb nur einmal ausgehärtet werden, wobei der Prozess weder wiederholt noch rückgängig gemacht werden kann.

Die für das Formpressen verwendeten Materialen sind:

  • Epoxidharz
  • Polyethylen hoher Dichte (HDPE)
  • Polyetheretherketon (PEEK)
  • Polyphenylensulfid (PPS)
  • Polytetrafluorethylen (PTFE)
  • Silikon
  • Urethan
Compression moulded parts
Formgepresste Teile (Source: Nolato)

Vorteile des Formpressens

Lassen Sie uns einen tieferen Blick auf die Vorteile des Formpressens werfen.

Kosteneffizienz

Das Formpressverfahren kann als die günstigste Herstellungsmethode für die Produktion einfacher, flacher und großer Teile bezeichnet werden. Kleine Komplikationen im Entwurf wie Hohlräume oder Kurven sind dabei akzeptabel, während kompliziertere Entwürfe oft über das Formpressen nicht kompatibel sind. 

Da niedrige Drücke eingesetzt werden, sind die Formen günstiger und halten auch länger, ohne dass sie wegen Defekten wie Verformungen ersetzt werden müssen. Dem Hauptproblem des Formpressens, die geringen Zykluszeiten, kann entgegengewirkt werden, indem Formen mit mehreren Hohlräumen zum Einsatz kommen, in denen pro Zyklus gleich mehrere Teile produziert werden können.

Erzeugt stabile Teile

Da das Verfahren über die Platzierung der Ladung in der Form abläuft, kann es, im Gegensatz zum Spritzguss, wo die Ladung eingespritzt wird, es theoretisch nicht zu Binde- und Schweißnähten oder defekten wie zu kurzen Einschüssen kommen. Die stukturelle Stabilität der Formpressteile ist zudem im Vergleich zu Teilen aus dem Spritzguss höher.

Die Fertigung unter Einsatz von Verbundwerkstoff ist im Formpressen zudem problemlos möglich. Teile aus Verbundwerkstoffen bieten einzigartige Eigenschaften, sind stabil und langlebig.

Flexibilität im Design

Einer der Hauptvorteile des Formpressens ist seine Fähigkeit, kostengünstiges Prototyping zu ermöglichen. So können Formen einfach und günstig in der CAD-Software entworfen und im 3D-Druck ausgedruckt werden. Später kann die günstige Form dann für das Formpressen von Teilen für Versuche und das Prototypen verwendet werden, bevor die tatsächliche Form hergestellt wird. Auf diese Art und Weise kann es für Ingenieure und Werkzeugkonstrukteure von Vorteil sein. Es ist zudem ein ausgezeichnetes Verfahren, um gleichbleibend gefärbte Gummiteile herzustellen.

Grenzen des Formpressens

Obwohl es viele Vorteile bietet, hat das Verfahren auch einige Nachteile:

  • Ungeeignet für komplexe Teile. Wenn das Design an sich sehr kompliziert ist, der Entwurf zum Beispiel komplizierte Details oder Neigungswinkel aufweist, wird empfohlen, auf das Formpressen zu verzichten, da diese Elemente nicht zu realisieren sind. 
  • Langsame Zykluszeit Ein Zyklus dauert Minuten im Vergleich zu den Sekunden im Spritzguss. Die erforderliche Arbeitszeit ist aufgrund der langsamen Zykluszeit und somit der entstehenden Arbeitskosten höher.
  • Entstehung von Zacken und Grate Diese müssen manuell entfernt werden, was wiederum zu Mehrarbeit und Materialvergeudung führt.

Anwendungen für das Formpressverfahren

Formpressteile haben eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten in quasi  jeder Branche:

  • Autoteile: Viele Innenteile von Autos und Teile von Fahrrädern können durch Formpressen hergestellt werden. Sehr große Teile, wie Stoßstangen von Traktoren und Motorkomponenten aus Kunststoff werden günstig mithilfe des Formpressens gefertigt. 
  • Computer, Spielkonsolen und Zubehör: Die Tastaturen für Computer, Monitorrahmen und selbst die Controller für Videospiele und ihre Tasten können formgepresst werden. 
  • Geschirr: Kunststoffgeschirr wie Teller, Tassen und Besteck kann formgepresst werden. Insbesondere Teile aus Melamin werden in der Regel formgepresst.  
  • Elektrische Komponenten: Steckdosen, Schalter, Frontplatten und Messgeräte werden normalerweise mit diesem Verfahren hergestellt.
  • Teile für medizinische und zahnmedizinische Geräte: Viele medizinische und zahnmedizinische Geräte aus Kunststoff und Silikon, die im täglichen Leben verwendet werden, wie Spritzenstopfen, Gerätegriffe und Atemschutzmasken, werden mit diesem Verfahren hergestellt.
Compression moulded blue plastic bottle caps
Formgepresste blaue Kunststoffkappen

Wo liegt der Unterschied zwischen Spritzguss und Formpressen?

Der Hauptunterschied im praktischen Einsatz liegt in der Tatsache, dass im Spritzguss, die Ladung als geschmolzene Pellets in die Spritzgussform eingebracht werden, während andererseits beim Formpressen die gefüllte Form geschlossen oder gegen die Ladung gepresst wird, damit sie in Form kommt. 

Die Hersteller nutzen heutzutage beide Verfahren für verschiedene Arten von Teilen und Anwendungsgebieten. Manchmal gibt es jedoch große und übergroße Teile, die im Spritzguss nicht gefertigt werden können. Hierfür ist wiederum das Formpressen ideal. Im Gegensatz dazu ist der Spritzguss gerade für komplexe Formen ideal. Ist der Entwurf hingegen eher einfach, dann bleibt das Formpressen die kostengünstigere Variante.

Da das Material der Ladung direkt in den Hohlraum der Form eingebracht wird, gibt es keine Begrenzung im Hinblick auf das Gewicht des Teils. Außer natürlich die Größe der Formpresse und die erforderliche Tonnage. Im Spritzguss hingegen werden die Grenzen des Gewichts durch das Volumen definiert, das über den Einspritzkolben in die Form eingebracht werden kann.

Im Hinblick auf das Herstellungstempo hat der Spritzguss eine deutlich kürzere Zykluszeit und ist dementsprechend schneller und günstiger in der Großserienfertigung als das langsamere Formpressen. Andererseits nutzt das Formpressen geringe Drücke, was es ebenfalls günstig macht. Die Vergeudung von Rohmaterial kann dabei also eingedämmt werden, was insbesondere im Umgang mit teuren Materialien von Vorteil sein kann. 

Zusammenfassend kann man also sagen, dass für die hochvolumige Produktion komplexer Teile der Spritzguss ideal ist, während man bei einfachen Entwürfen in mittleren oder sogar kleinen Stückzahlen mit dem Formpressen besser beraten ist.

Fazit

Das Formpressen ist ein Herstellungsverfahren, bei dem weniger Material verschwendet wird, und dessen Werkzeuge kostengünstiger herzustellen sind als im Spritzguss, da keine Angussteile erforderlich sind, um das Teil herzustellen. Dementsprechend produziert dieses Verfahren eine überlegene, ästhetisch und funktional veredelte Oberfläche. Das macht dieses Verfahren zum Favoriten für große, flache oder gebogene Komponenten. 

Die Einfachheit der Formpressanlage und die geringen Kosten für die Werkzeugeinrichtung machen das Verfahren zu einer attraktiven Option für die Erstellung funktionaler Prototypen und die Kleinserienfertigung. Außerdem ist das Formpressen dann die beste Option, wenn es die einzige Option ist, da das Teil mit einem gewählten Material in anderen Formungsprozessen nicht herzustellen ist oder individuell gefertigte Verbundwerkstoffe eingesetzt werden.

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